Stolpersteine in Berlin und unsere Kiezinitiative

Stolpersteine gibt es in Berlin seit 1996. Insgesamt wurden in Berlin bereits 8.687 Stolpersteine (Stand: Februar 2020) verlegt. Diese verteilen sich auf 75 von 96 Berliner Ortsteilen. Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf liegen 3348 Stolpersteine (Stand: Februar 2020). Eine Stolpersteine-Initiative kümmert sich in Charlottenburg-Wilmersdorf um dieses Gedenkprojekt, das vom Bezirksamt und vom Senat unterstützt wird.

Die Kiezinitiative „Stolpersteine im Mierendorff-Kiez“ wurde 2013 von Marlo Blondiau und Michael Halfmann gegründet und versteht sich als „Anlaufstelle“ für Interessierte und Engagierte. Wir planen Rundgänge, Reinigungsaktionen für die Stolpersteine „Unserer vergessenen Nachbar*innen“ und unterstützen die Recherche und Verlegung für weitere Steine.

Vom 1. bis 30. November 2019 fand eine Austellung unter dem Thema: „STOLPERSTEINE IM MIERENDORFF-KIEZ“ im Haus am Mierendorffplatz statt, und zwar unter dem Motto: „Beugt man sich hinunter, um die Inschriften auf den Stolpersteinen zu lesen, verneigt man sich vor den Opfern der Nazis.“ (siehe auch Pressemitteilung rechts).

Auf den Ausstellungstafeln wurden die Biographien der siebzehn Opfer des Naziregimes vorgestellt, die im Mierendorff-Kiez gelebt haben und für die die Stolpersteine bis zum November 2019 – zuletzt am 22. September 2016 – verlegt wurden. Diese Ausstellung wurde aus Pilot-FEIN-Mitteln des Bezirkamtes Charlottenburg-Wilmersdorf finanziert. Zur Ausstellung-Eröffnung waren etwa sechzig Gäste anwesend.

Am 25. Februar 2020 fand die letzte Verlegung von vier weiteren Stolpersteinen in der Tauroggener Straße 43, 44 und 48 statt: für Margarethe Scherbarth (geb. Simonsohn), das Ehepaar Karl Sitzmann und Rosa Sitzmann (geb. Goldbach) und für Minna Schück (geb. Grünberg). Somit sind nun insgesamt 21 Stolpersteine auf der Mierendorff-INSEL verlegt worden.

Die Geschichte der Stolpersteine

„Wenn der Name vergessen ist, ist auch der Mensch vergessen.“ (aus dem Talmud)

Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, geboren am 27. Oktober 1947 in Berlin, das im Jahr 1992 anfing. In Berlin führte er 1996 auf den Fußwegen der Oranienstraße und der Dresdener Straße eine Kunstaktion fort, die er in Köln zuvor begonnen hatte. Er passte, damals noch illegal, 51 Stolpersteine direkt ins Straßenpflaster ein. Mit im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln soll an die Menschen erinnert werden, die in der Nazi- Zeit verfolgt, vertrieben, verschleppt, gefoltert, ermordet oder in den Suizid getrieben wurden. Die Betonquader mit einer Kantenlänge von 10 cm werden vor dem meist letzten frei gewählten Wohnort der Verfolgten in den Gehweg eingelassen. Auf einer Messingplatte an der Oberseite ist der Name mit von Hand eingeschlagenen Lettern beschriftet und erinnert an das Schicksal des einzelnen Menschen.

Was 1992 für die Ermordeten der Shoah begann, setzt sich bis heute fort mit Stolpersteinen auch für Sinti und Roma, aktive Menschen aus dem politischen oder religiös motivierten Widerstand, Zeug*innen Jehovas, „Swing-Jugendliche“ (auch „Swing-Kids“genannt), Zwangsarbeiter*innen, Homosexuelle, Opfer der „Euthanasie“-Morde und für Menschen, die verächtlich als „Asoziale“ verfolgt wurden. Die Steine geben den Menschen ihre Namen zurück. Sie helfen so den Zivilisationsbruch im deutschen Namen sichtbar zu machen. Zugleich zeigen die Steine, dass Ausgrenzung, Entrechtung, Verfolgung und Verhaftung mitten in der Stadt unter den Augen der Nachbar*innen stattfanden. Die Kunstaktion widerspricht damit gängigen Entschuldigungen, man habe nichts von alledem wissen können.

Am 29. Dezember 2019 verlegte Gunter Demnig im schwäbischen Memmingen den 75.000sten Stolperstein. Die Stolpersteine sind das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Stolpersteine wurden nicht nur in Deutschland, sondern auch in 23 weiteren europäischen Ländern verlegt. Die Marke Stolpersteine ist seit 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt durch Gunter Demnig geschützt, seit 2013 auf europäischer Ebene. Für zur Zeit 120 Euro kann jeder Mensch eine Patenschaft für die Herstellung und Verlegung eines Stolpersteins übernehmen.

Seine Idee beschreibt Gunter Demnig mit den Worten:

Auf dem Stolperstein bekommt das Opfer seinen Namen wieder,  jedes Opfer erhält seinen eigenen Stein – die Identität und das Schicksal sind, soweit bekannt, ablesbar. Durch den Gedenkstein vor dem Haus wird die Erinnerung an diesen Menschen in unseren Alltag geholt. Jeder persönliche Stein symbolisiert auch die Gesamtheit der Opfer, denn alle eigentlich nötigen Steine kann man nicht verlegen.

 

Verlegung der Stolpersteine in der Kamminer Str. 2   Foto: Holger Walkling

21 Stolpersteine, die mittlerweile an neun Orten auf der Mierendorff-INSEL verlegt wurden, erinnern gut sichtbar an ehemalige Einwohner*innen und Nachbar*innen, die zwischen 1933 und 1945 von den Nazis entrechtet, verfolgt und ermordet wurden.
Das Bild zeigt die Verlegung der Stolpersteine vor dem ehemaligen Wohnort von Hanna Lewin, Ilse Senta Goldschmidt und Leonhard Levy in der Kamminer Straße 2. Die Stolpersteine wurden am 11. Juni 2015 in Anwesenheit zahlreicher Hausbewohner*innen, Nachbar*innen, des Teams vom Haus am Mierendorffplatz sowie von Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern des Gottfried-Keller-Gymnasiums verlegt.